JOHANN MELCHIOR WYRSCH zugeschr.
PORTRAIT EINER UNBEKANNTEN FRAU IN BRAUNEM KLEID
JOHANN MELCHIOR WYRSCH zugeschr.
Buochs 1732 – 1798 Buochs
Öl auf Leinwand, mit Originalrahmen aus dem 18. Jahrhundert
67 x 55 cm / 26.4 x 21.7 Zoll, mit Rahmen 80.5 x 66.5 cm / 31.7 x 26.2 Zoll
PROVENIENZ
Schweden, Privatsammlung
ÜBER DIE DATIERUNG UND ZUSCHREIBUNG DES PORTRAITS
Das Jahr 1775 hat eine besondere Bedeutung für alle Liebhaber und Kenner der französischen Geschichte: Es markiert die Krönung von Ludwig XVI., einem Monarchen, dessen Herrschaft den Niedergang des Ancien Régime vor der Revolution symbolisiert. Zufälligerweise nimmt dieses Jahr auch in der Modegeschichte einen bedeutenden Platz ein: Es war nämlich in der Kathedrale von Reims, während der Krönungszeremonie des Königs, dass Marie Antoinette vor dem Hof in einem prunkvollen Ensemble erschien. Doch nicht nur ihr Kleid erregte Aufmerksamkeit. Ihre Frisur – eine hohe und voluminöse Struktur aus Haaren, Bändern und Federn – faszinierte sofort Paris und setzte Modetrends in ganz Europa durch.
Der Autor dieses Meisterwerks war Léonard Autié (1751–1820), ein Friseur, der die Kunst der Coiffure zu einer wahren Kunstform erhob. Geboren in der kleinen Stadt Pamiers in Südfrankreich, zog er Anfang der 1770er Jahre nach Paris, wo er sich schnell den Ruf als bester Stylist des Hofes erwarb. Ihm vertraute Marie Antoinette die Kreation ihrer ikonischen Frisuren an, die später zu den Erkennungszeichen ihrer Epoche werden sollten.
Diese Frisur wurde als "Pouf" bekannt, und, wie der berühmte Modehistoriker Alexandre Vassiliev treffend bemerkte, bietet das Vorhandensein einer solchen Coiffure in einem gemalten Porträt eine sehr genaue Methode zur Datierung von Werken des 18. Jahrhunderts. Dasselbe gilt für dieses außergewöhnliche Porträt einer unbekannten Frau in braunem Kleid aus der Sammlung unserer Galerie, dessen Entstehungszeit von Vassiliev präzise zwischen den Jahren 1775–1776 datiert wurde.
Das Gemälde stammt aus einer Privatsammlung in Schweden, was traditionell zu seiner Zuschreibung an die schwedische Malerschule geführt hatte. Diese Zuschreibung bedurfte jedoch einer genaueren Prüfung. Der Malstil weist Merkmale verschiedener nationaler Schulen auf – französisch? Schweizerisch? Vielleicht von süddeutschen Meistern beeinflusst? Hier erwies sich die unschätzbare Expertise von Dr. Bodo Hofstetter, einem renommierten Spezialisten für Porträtmalerei des 18. Jahrhunderts, als entscheidend. Er war es, der das Porträt Johann Melchior Wyrsch (1732–1798) zuschrieb.
JOHANN MELCHIOR WYRSCH UND SEIN EINFLUSS AUF DIE KUNST VON BESANÇON
Der Name Johann Melchior Wyrsch (1732–1798) nimmt einen bedeutenden Platz in der Geschichte des Porträts des 18. Jahrhunderts ein. In der Schweiz geboren, begann er seine künstlerische Karriere in Luzern, doch in Frankreich erreichte er seine volle berufliche Reife. Ab 1763 lebte und arbeitete Wyrsch in Besançon und wurde zum offiziellen Porträtmaler der lokalen Aristokratie, des Bürgertums und der Künstlerkreise. Sein Stil stellt ein subtiles Gleichgewicht zwischen der akademischen Tradition des französischen Porträts und der realistischen Präzision der Schweiz dar, was seine Werke zutiefst ausdrucksstark und von großer Genauigkeit in der Wiedergabe physiognomischer Züge macht. Wie sein Biograf betonte:
«Pendant les vingt années qu’il a passées en France, Wyrsch peignit la plupart des familles un peu fortunées de sa province d’adoption, ou les excellents portraits de ce maître sont considérés, dans une société qui se renouvelle si vite, comme des titres d’ancienneté.»
(“Während der zwanzig Jahre, die er in Frankreich verbrachte, porträtierte Wyrsch die meisten wohlhabenden Familien seiner Wahlheimat, wo die hervorragenden Porträts dieses Meisters in einer Gesellschaft, die sich so schnell erneuert, als Titel der Antike gelten.”) (Wey, 1906, S. X)
Besançon, wo Wyrsch die fruchtbarsten Jahre seiner Karriere verbrachte, erlebte damals eine Zeit künstlerischer Blüte. 1773 gründete er zusammen mit Luc-François Breton (1731–1800) die Akademie für Malerei und Skulptur, eine Institution, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des kulturellen Lebens der Region spielte. Die Fülle an Aufträgen ermöglichte es dem Künstler, seine eigene Bildsprache zu verfeinern und ihn zu einem der wichtigsten Porträtmaler Frankreichs zu machen, obwohl seine Arbeit nicht direkt mit Paris verbunden war.
Das Werk von Wyrsch legte den Grundstein für die Entwicklung des Porträtgenres in der Region Franche-Comté, das sich im Gegensatz zu den grandiosen und idealisierten Porträts von Paris durch eine raffinierte Nüchternheit, eine akribische Detailgenauigkeit und eine subtile psychologische Tiefe auszeichnet. In diesem Kontext präsentiert sich unser "Porträt einer unbekannten Frau in braunem Kleid" als ein exzellentes Beispiel, das die Eleganz des französischen Rokoko mit der Schweizer Präzision in der Wiedergabe von Details verbindet.